Die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gebaute Horten H IX war die konsequente Weiterführung des Nurflügelkonzeptes der Gebrüder Horten in das Jet-Zeitalter. Wie bei allen Horten-Flugzeugen handelte es sich um eine Nurflügel-Konstruktion. H IX war die Bezeichnung der ersten beiden Prototypen. Das Reichsluftfahrtministerium vergab für die Serienproduktion die Nummer 8-229, wobei die 8 eine Codenummer für Flugzeuge im Allgemeinen war.
Teilweise wird auch die Bezeichnung Gotha Go 229 – nach der vorgesehenen Produktionsfirma Gothaer Waggonfabrik – verwendet. In der Praxis war jedoch im Allgemeinen die Produktionsfirma für die Namensgebung unerheblich. Da die Brüder Horten keine Angestellten der Firma Gothaer Waggonfabrik waren und zudem offiziell eine eigene Flugzeugfirma – wenn auch ohne nennenswerte Produktionskapazitäten – unterhielten, ist die Namensgebung Horten Ho 229 wahrscheinlicher. Diese Bezeichnung wurde auch in den Wochenberichten der Erprobungsstelle Rechlin verwendet.
ENTWICKLUNG
Die Entwicklung dieses Flugzeugs verlief innerhalb des eigens in Göttingen geschaffenen „Sonderkommandos IX“. Die Konstruktionsarbeit leistete fast ausschließlich Reimar Horten. Der erste Prototyp H IX V1 war noch ein unmotorisiertes Segelflugzeug, das von Heinz Scheidhauer am 1. März 1944 erstmals geflogen wurde. Scheidhauer hatte große Erfahrung mit den Nurflügelkonstruktionen von Horten und bescheinigte dem Flugzeug ein sehr gutes Flugverhalten.
Der zweite Prototyp sollte bereits mit Strahltriebwerken ausgerüstet werden. Geplant waren zunächst die BMW-003-Triebwerke. Da die Entwicklung bei BMW aber nicht in gewünschtem Maße voranschritt, musste auf Junkers Jumo-004-Triebwerke ausgewichen werden. Dieses Triebwerk war jedoch vor allem im Durchmesser größer als das Aggregat von BMW; daher musste der Rumpf umgebaut werden. Das Ergebnis war ein noch heute futuristisch anmutendes Düsenflugzeug, das vermutlich schon am 18. Dezember 1944 in Oranienburg mit Erwin Ziller einen kurzen ungeplanten und am 2. Februar 1945 dann den offiziellen Erstflug absolvierte. Auch dabei wurden dem Flugzeug gute Flugeigenschaften bescheinigt. Bei einem Vergleichsfliegen mit einer Messerschmitt Me 262 soll die H IX aufgrund der geringeren Flächenbelastung ein besseresKurven- und Steigflugverhalten gezeigt haben. Diese Darstellung erscheint plausibel; die geringe Anzahl an insgesamt absolvierten Testflügen und das Fehlen von Dokumenten über dieses Ereignis geben jedoch Anlass zum Zweifel, ob dieses Vergleichsfliegen tatsächlich stattgefunden hat.
Hermann Göring war vom Entwurf dieses Flugzeuges derart fasziniert, dass er direkt danach einen Fertigungsauftrag über 40 Flugzeuge an die Firma Gothaer Waggonfabrik erteilen ließ. Beim dritten – bzw. mit dem Probeflug vom 18. Dezember 1944 vierten – Versuchsflug kam es am 18. Februar 1945 nach etwa 45 Minuten Flugzeit beim Landeanflug jedoch zu einem Unfall. Vermutlich wurde er durch den Ausfall des rechten Triebwerkes ausgelöst, das zugleich die Hydraulikpumpe antrieb und bereits vor dem Start Probleme bereitet hatte. Erwin Ziller versuchte zuvor noch, im Wellenflug das Triebwerk wieder in Gang zu bringen, und fuhr bereits in 400 Metern Höhe mit Hilfe der Pressluftreserve das Fahrwerk aus. Er konnte das Flugzeug aber nicht mehr unter Kontrolle bringen und stürzte, ohne den Schleudersitz betätigt zu haben, mit dem Flugzeug vor einem Bahndamm ab. Beim Aufprall wurde er aus dem Flugzeug gegen einen Baum im Garten eines Schrankenwärterhäuschens geschleudert und starb durch einen Genickbruch. Die dort ankommenden Beobachter sahen zudem die aus dem Rumpf nach vorne herausgeschleuderten Triebwerke am Bahndamm liegen, von denen das linke noch auslief und warm war, während das rechte Triebwerk bereits erkaltet war.
Damals stand die Front relativ nah beim Flugplatz Oranienburg, auf dem die Versuche stattfanden. Das „Sonderkommando IX“ löste sich bald auf.
Während des letzten motorisierten Flugversuches war keiner der Horten-Brüder anwesend. Reimar Horten arbeitete bereits an der Horten H XVIII, einem großen Langstrecken-Nurflügel-Bomber, mit dem Angriffe auf die Vereinigten Staaten geflogen werden sollten. Zu diesem Zeitpunkt war die Verwirklichung eines solchen Projektes nicht mehr möglich.
KONSTRUKTION
Der Rumpf bestand im Wesentlichen aus einem mit Sperrholz beplankten Rohrgerüst; die Tragflächen wurden ausschließlich aus Holz gefertigt. Ausfahrbare Klappen nahe den Flügelenden fungierten alsSeitenruder. Bemerkenswert ist auch die Aussage von Reimar Horten, nach der in die Außenhülle der H IX eine Mischung aus Kohlenstaub und Leim eingearbeitet wurde, um Radarstrahlen zu absorbieren. Damit wäre die H IX eines der ersten Flugzeuge gewesen, das bewusst als Tarnkappenflugzeug ausgelegt wurde. Das Flugzeug sollte ursprünglich mit einem federbetätigten Schleudersitz ausgerüstet werden. Da dieser jedoch von der Erprobungsstelle Rechlin als unzureichend beurteilt wurde, sollte schließlich ein mit einer Sprengkartusche betätigter Katapultsitz zum Einsatz kommen. Da keine Druckkabine vorhanden war, entwickelte die Firma Dräger für Flüge in großen Höhen einen ersten Druckanzug für den Piloten – den sogenannten „Watanzug“, der mit seinem Helm wie ein Vorläufer heutiger Raumanzüge anmutete, sich aber in der vorgesehenen Ausführung als unpraktisch erwies.
Die V 1 wurde nach der Untersuchung durch die Amerikaner schwer beschädigt zurückgelassen und schließlich wohl verbrannt.
VERBLEIB
Eine H IX gelangte ins Vereinigte Königreich, um in Farnborough untersucht zu werden. Es ist nicht geklärt, um welche Maschine es sich dabei handelte. Da Eric Brown, der zahlreiche erbeutete deutsche Flugzeuge für Großbritannien untersuchte, angab, die Maschine habe ausgesehen, als wäre sie abgestürzt, handelte es sich vermutlich um die Reste der V 2 aus Oranienburg. Der fast fertiggestellte Rumpf der V 3 wurde von den Amerikanern in Friedrichroda erbeutet. Die ebenfalls noch unfertigen Tragflächen wurden in Sonneberg konfisziert und vermutlich in den USA fertiggestellt. Es war ursprünglich vorgesehen, auf Freeman Field Testflüge zu unternehmen. Diese blieben jedoch insbesondere wegen der Bedenken gegen die unzuverlässigen Jumo-004-Triebwerke aus. Die V 3 wurde nach dem Krieg in den USA lackiert, um sie auf Beuteschauen zu zeigen. Danach gelangte sie in die Paul E. Garber Facility des National Air and Space Museum. Dort wird sie zur Zeit restauriert (Stand: 2014). V 4 wurde von den Amerikanern als zu zwei Dritteln fertiggestellt eingeschätzt. In das Rohrgerüst der V 4 waren bereits die Triebwerke eingebaut. V 5 war gerade erst begonnen worden, lediglich das Rohrgerüst war vorhanden. Der weitere Verbleib von V 4 und V 5 ist ungeklärt. Die Attrappe der V 6 war beim Eintreffen der Amerikaner in Ilmenau bereits zerstört. Lediglich einige der Steuerflächen der V 6 waren noch intakt.
Quelle: Wikipedia
Zusammenbau & Lackierung